Sant Kirpal Singh – Im Staatsdienst
Ich erzähle euch etwas über meine Stellung, die ich im Leben innehatte, über meine berufliche Laufbahn. Ich betrachtete alle als gleichwertig – der eine sitzt im Beamtensessel oder am Schreibtisch des Beamten, der andere ist nur ein Laufbursche und arbeitet, ohne einen eigenen Schreibtisch zu haben. Was ist der Unterschied? Gott hat beide, so wie auch euch, mit allem gleich ausgestattet. Die Stellung, die man im Leben hat, entspricht einfach den Rückwirkungen vergangener Karmas – unglückliche Freunde, die dort (als Laufbursche) arbeiten. Wenn ihr sie gleichwertig behandelt – sie sind schließlich Menschen –, wenn ihr freundlich mit ihnen sprecht, werdet ihr sie eher gewinnen können, als wenn ihr Befehle gebt. Sie werden die Befehle ausführen, hin und wieder gehorchen, aber damit könnt ihr sie nicht wirklich im Innersten ihres Herzens erreichen. So könnt ihr nicht ihr Herz gewinnen.
Als ich 1911 in den Staatsdienst eintrat, wurde ich einer Abteilung zugeteilt, die private Rechnungen (Beträge, die die Regierung anderen schuldete) bearbeitete. Es ging um kleine Beträge. Ein Unternehmer kam und sagte: "Ich habe meine Rechnung eingereicht, könnten Sie diese heute noch bearbeiten?" Mein Arbeitsplan war so, dass ich alles, was an diesem Tag hereinkam, noch am selben oder am darauf folgenden Tag erledigte. "Wären Sie so freundlich sich zu beeilen?" Ich sagte: "Ich werde mich darum kümmern, das ist meine Aufgabe." Dann schob er zwei kleine Münzen unter mein Schreibzeug. Ich fragte: "Wofür?" Er sagte: "Damit sie die Angelegenheit beschleunigt behandeln." Ich gab ihm zur Antwort: "Dafür werde ich bezahlt!" Er nahm sein Geld, sagte nichts und ging. Und die Silbermünzen klimperten in seiner Hosentasche, als er davonging. Wenn ihr also bereits für etwas bezahlt werdet, seid immer ehrlich zu euch selber. Wenn ihr bereits dafür bezahlt werdet, warum sollte jemand noch mehr dafür bezahlen?
Ich war für die Koordination und Verwaltung zuständig. Einmal wurden einige Schreibkräfte für ungeeignet befunden und zu mir zurückgeschickt. Es wurde vorgeschlagen, sie zu entlassen. Alle diese Fälle mussten mir zuerst vorgelegt werden. Ich setzte sie als Schreibkraft in der Abteilung ein, die direkt mir unterstand. Ich beobachtete, wie sie arbeiteten. Sie hatten schlechte Angewohnheiten, sie liefen umher, redeten viel und machten ihre Arbeit nicht. Ich beobachtete sie einige Tage und rief sie dann zusammen: "Nun, meine Lieben, ihr wisst, solange ihr hier seid, werdet ihr dafür bezahlt, dass ihr eure Arbeit macht, oder (etwa nicht)? Ja! Es wurde vorgeschlagen, euch zu entlassen. Wer, glaubt ihr, wird darunter zu leiden haben? Eure Familien, die ihr gegründet habt. Ist es nicht eure Pflicht, dafür hart zu arbeiten?" Sie sahen es ein. Innerhalb zwei Wochen oder einem Monat begannen sie auf ehrliche Art und Weise zu arbeiten. Wenn in einer anderen Abteilung meines Aufsichtsbereichs wieder eine Stelle zu besetzen war, stellte ich sie dort ein. (Die Leute wandten ein:) "Wir wollen diesen Mann nicht, er ist unfähig." "Nein, nein", sagte ich, "er hat sich inzwischen geändert. Gebt ihm eine Chance und seht selber."
1921 wurde ich in die Rechnungsabteilung eines Indischen Militärregiments versetzt. Ein Soldat kochte für mich das Essen. Ich hatte ihm die strikte Anweisung gegeben, niemanden die Küche betreten zu lassen und ich sagte ihm auch, dass er heilige Verse rezitieren solle, während er das Essen zubereitet. Ich hatte die Gewohnheit, mich mitten in der Nacht zur Meditation zu setzen. Eines Nachts bemerkte ich, dass negative Gedanken meine Meditation störten. Ich weckte den Soldaten auf und fragte ihn, ob an diesem Abend jemand bei ihm in der Küche gewesen sei. Er sagte "nein", aber er log. Später gab er es zu. Wo bereits Tonnen von Schmutz sind, macht etwas mehr kaum einen Unterschied, aber auf einer ansonsten sauberen Oberfläche wird sogar ein Körnchen Schmutz sichtbar sein.
Einmal wurde ich einer militärischen Einheit als Rechnungsbeamter zugeteilt. Das Regiment wurde zu einem militärischen Einsatz abberufen. In diesem Regiment gab es einen Banditen. Er war furchterregend, sage ich euch. Er mochte mich und folgte mir manchmal als mein Leibwächter. Er sagte, er hätte Angst vor mir. Ich antwortete ihm: "Jeder hat Angst vor dir, und du sagst, du hast Angst vor mir?" Er sagte: "Wenn ich Sie anschaue, fange ich an zu zittern, all meine Sünden, die ich begangen habe, kommen in mir hoch. "Warum? Was ist geschehen?" Er sagte: "Ich habe so viele Menschen gefoltert und einfach umgebracht. Ich weiß nicht einmal mehr genau, wie viele ich getötet habe. Gibt es noch Hoffnung für mich?" – "Ja, es gibt Hoffnung für jeden. Sogar für den schlimmsten Sünder gibt es Hoffnung. Bereue! Bete! Tu es nicht mehr!"
Das Arbeitsergebnis des gesamten Amtes war hervorragend. Es gibt so viele Weisungen, die aus dem einen oder anderen Grund von der Regierung kommen, so viele Anträge, die in einem Amt einlaufen. Als ich in dem Amt zu arbeiten aufhörte, wurden drei Beamte für meinen Arbeitsbereich eingestellt, drei Beamte für dieselbe Arbeit, die ich alleine verrichtet hatte – natürlich in Zusammenarbeit mit allen anderen. Oft beauftragte ich irgendjemanden mit einer Arbeit, die nicht zu seinem Bereich gehörte. Er ging dann einfach zu der entsprechenden Abteilung, führte die Arbeit aus und legte (das Ergebnis) selbst vor. Wenn ich sagte: "Gut, das muss noch erledigt werden.", und dann das Amt verließ, machten sie es fertig, selbst wenn sie bis nach Mitternacht bleiben mussten, aber sie beendeten die Arbeit. Eine so gute Zusammenarbeit brachten sie mir entgegen. Als ich zu arbeiten aufhörte, nahm ich Urlaub bis zu meiner Pensionierung. Ich ging zum übergeordneten Ministerium in Delhi. Es gab dort einen Finanzbeamten, der mein Freund war. Ich ging ihn besuchen und gleich, als er mich sah, sagte er: "Nun, was ist mit dem Amt los?" Er wusste nicht, dass ich seit den letzten drei Monaten beurlaubt war. "Was ist mit dem Amt passiert?" – "Warum?" "Nun, keine eurer Akten, nicht eine einzige, ist seit den letzten drei Monaten zurückgekommen. Vorher kamen sie normalerweise nach etwa einer Woche mit den besten Vorschlägen und Anregungen darauf vermerkt von dort zurück. Die Arbeitsleistung ist auf ein Viertel zurückgegangen, verglichen mit der vor drei Monaten. Was ist nur aus dem Amt geworden?" Ich gab ihm zur Antwort: "Nun, mein Lieber, ich bin hier auf Urlaub, ich weiß es nicht, ich habe mich beurlauben lassen bis zu meiner Pensionierung." Nun, es lag an der guten Zusammenarbeit, seht ihr, an der liebevollen Art und dem liebevollen Umgang mit (allen in der) Dienststelle.
Jeden schwierigen Fall, der zum Amtsleiter gelangte, gab er an mich weiter. Ich schlug einfach die Akte auf und brachte sie in Ordnung. Diese Angewohnheit wirkte Wunder in allen meinen Angelegenheiten. Als ich in Pension ging, kam der Generalstaatsanwalt des Militärs auf mich zu: "Einen so wundervollen Menschen wie Sie hatten wir in unserer Abteilung." Das wurde auch in meiner Personalakte vermerkt. Normalerweise ist es so, wo Beamte arbeiten, gibt es auch einen, der der Chef ist. Manchmal sind diejenigen, die unter einem Beamten arbeiten, nicht zufrieden und manchmal sind einige, die ihm übergeordnet sind, nicht zufrieden – wenn die Chefs zufrieden sind, sind die Untergebenen nicht zufrieden. In meinem Fall waren beide zufrieden.