Wie ich meinen Meister traf
Schon als Kind fühlte ich mich zu Gott hingezogen. Jeder Mensch hat seinen eigenen Hintergrund. Als ich die Sikh-Schriften las, grübelte ich nicht darüber nach, sondern las sie sehr genau. Ich schlug die Sikh Schriften auf und las immer nur eine Hymne, nicht viele Seiten, ich schrieb sie ab und hielt sie mir den ganzen Tag vor Augen und sagte mir dabei: "Das ist meine Lektion." Je öfter ihr etwas lest, umso mehr werdet ihr diesen Worten entnehmen. Wenn wir Schriften lesen, grübeln wir meistens nur intellektuell über sie nach. Wir lesen zwei, vier oder zehn Seiten und lesen immer weiter; und wenn wir die Schriften beiseite legen, wissen wir nicht einmal mehr, was wir gelesen haben. Wir vergessen. Aber ich tat das nicht, und so kam ich zu dem Ergebnis:Alle Schriften sagen, dass es einen Gott gibt. Davon war ich in meinem Innersten Selbst völlig überzeugt, würde ich sagen. Ich zweifelte nie an Gott. Aber die Schriften wiesen auch darauf hin, dass es notwendig ist, in der Gemeinschaft mit einem Menschen zu sein, der Gott erkannt hat – ihr mögt ihn Guru, Meister, Lehrer oder anders nennen: "Wenn ihr Gott sehen wollt, dann geht zu jemandem, der Gott sieht." – das sagt uns der gesunde Menschenverstand – "und dem ihr euch hingeben könnt: mit Gemüt, Körper und Seele. Je mehr ihr euch hingeben könnt, desto mehr könnt ihr erlangen. Das Wichtigste aber ist, jemanden zu finden, der Gott kennt und Gott sieht, so wie ich euch sehe und ihr mich."
Sitzt zu Füßen von demjenigen, der Gott kennt
Je mehr ich mich mit den Sikh-Schriften und mit den Schriften anderer Religionen befasste, umso mehr fand ich diese Wahrheit bestätigt. Wenn ihr einen Pilgerort besuchen wollt, nehmt am besten jemanden mit, der diese Wallfahrt schon einmal gemacht hat. Dann ist es leichter, nicht wahr? Wie beruhigt können wir dann reisen! Nehmt an, ihr müsst euer Land verlassen und in ein fremdes Land gehen, was werdet ihr dann tun? Im allgemeinen nehmt ihr Reiseführer zur Hand, um zu sehen, wie man dorthin gelangt, welchen Weg ihr nehmen müsst, wo ihr Halt machen könnt und wo nicht. Nehmt an, ihr müsst in ein Land reisen, wo ihr die Sprache nicht kennt, was macht ihr dann? Und wie viel Geld werdet ihr benötigen? Was müsst ihr alles mitnehmen? All das überlegt ihr euch. In Reiseführern findet man natürlich Informationen darüber, aber sie können nicht sprechen. Wenn ihr sie durchlest, findet ihr da einen Hinweis, den nächsten auf Seite zehn und wieder einen auf Seite fünfzehn. Wenn aber jemand zu euch kommt, während ihr im Reiseführer nach Hinweisen sucht, und euch sagt: "Du möchtest dorthin reisen? Hier ist jemand, der von dorther kommt." Was würdet ihr tun? Ihr würdet den Reiseführer schließen und schnellstens zu demjenigen gehen.
Warum? Das ist doch ganz natürlich. So sagen uns die Heiligen Schriften: "Sitzt zu den Füßen von einem, der Gott erkannt hat." Lest die Schriften, und ihr werdet das in allen Schriften finden. Aber vieles ist nicht klar: Die Schriften sind nicht wie ein Lehrbuch geschrieben – es gibt hier einen Hinweis und dort einen anderen; manches wird in Form von Gleichnissen erzählt und anderes direkt; aber ihr werdet nicht alles an einer Stelle erklärt finden. So wie ich es euch jetzt erkläre, werdet ihr es in den Schriften nicht finden.
Ihr werdet also sofort zu diesem Mann gehen (der bereits dort war, wo ihr hin möchtet). Wenn ihr zu ihm kommt, wird er sagen: "Ja, ich war an diesem Ort. Willst du dorthin reisen?" – "Ja!" Und wenn ihr ihn fragt, wird er sagen: "Ja, fahrt dorthin, dort könnt ihr unterwegs Halt machen, hier kann man essen" – und noch vieles mehr. Ihr seid nun davon überzeugt, dass er das alles selbst gesehen hat – doch er fährt jetzt nicht zurück. Aber in der folgenden Woche hört ihr, dass er zu dem Ort zurückkehren will, von dem er gekommen ist und zu dem ihr reisen wollt, und ihr fragt ihn: "Könnt ihr mich mitnehmen?" "Ja, sehr gerne!" Wie beruhigt fühlt ihr euch dann! Ihr braucht euch nicht darum zu sorgen, wohin ihr fahrt und wo ihr Halt machen werdet, weil er sich auskennt – er war ja bereits dort.
Vergleichbar damit las ich auf der Suche die Heiligen Schriften; zuerst jene, die der (Religion) der Familie entsprachen, in die ich geboren wurde. Die Sikh-Schriften sind eine große Schatzkammer: Sie umfassen mehr als 1400 großformatige Seiten. Ihre besondere Schönheit liegt darin, dass sie die Erkenntnisse so vieler Gottmenschen gleichzeitig enthalten. Die ältesten Schriften der Welt werden "Veden" genannt. Die Veden enthalten die Worte und die Erkenntnisse nicht nur eines, sondern vieler Rishis. Ihr werdet sehen, dass die späteren Schriften nur das wiedergeben, was ein bestimmter Meister, zu seiner Zeit, gesagt hat – obwohl die Lehren alle gleich sind. Ich beschreibe jetzt einmal die Schönheit dieser Schriften: Die jüngsten der Heiligen Schriften, die der Sikhs, die vor vierhundert Jahren geschrieben wurden, enthalten die Erkenntnisse so vieler Meister, wie man zu jener Zeit nur finden konnte. Guru Arjan (1563 – 1606) war es, der die Aussagen der vier Meister, die vor ihm kamen, zusammentrug. Er war der fünfte Guru in der Linie von Guru Nanak (1469 – 1539), und Guru Nanak war ein Zeitgenosse Kabirs (1398 – 1518); achtundvierzig Jahre lang wirkten sie gleichzeitig. Guru Arjan trug all jene Aussagen zusammen und fügte seine eigenen hinzu; die Hälfte etwa sammelte er und die andere Hälfte fügte er hinzu. Er war ein sehr guter, gottinspirierter Mensch. Er sagte: "Ich und mein Vater sind eins. Vater und Sohn sind in derselben Farbe gefärbt. Sie haben einen Bund geschlossen." Solche Aussagen stehen in seinen Schriften. Dann ließ er ein paar Seiten frei und schloss damit das Buch. Er sagte: "Das ist ein Reservoir der Göttlichkeit; je mehr ihr euch darin vertieft, desto mehr Juwelen von unschätzbarem Wert werdet ihr finden", und er ließ ein paar Seiten frei. Die Leute fragten ihn: "Warum tust du das?" Er sagte: "Auf diesen Seiten sollen die Worte des neunten Gurus (Guru Teg Bahadur 1621 – 1675), der einmal nach mir kommen wird, niedergeschrieben werden." Und sie enthalten auch einen Vers des zehnten Gurus (Guru Gobind Singh 1660 – 1708) – einen Vers. Das sind also die jüngsten Schriften. Die ältesten und die jüngsten Heiligen Schriften der Welt enthalten die Aussagen vieler verschiedener Meister. Sie sind ein "Schatzhaus" der Spiritualität.
Dann wurde ich natürlich auch mit anderen Schriften in Verbindung gebracht. Ich ging in eine Missionsschule, und so kam ich mit der Lehre der christlichen Missionare in Berührung. Aber was sie sagten, war für mich nicht verständlich. Mir schienen die Lehren ganz klar zu sein, aber vielleicht waren sie denen, die sie predigten, nicht so klar. Sie sagten: "Ihr müsst in Christus geboren werden." Ich fragte: "Wie kann ich in einem Menschen geboren werden?" Eine Frage des gesunden Menschenverstandes! – Oder: "Gott ist Licht." Und sie sagten: "Ja, das bezieht sich auf den Verstand. Gott gab uns den Verstand, um Ihn zu begreifen."
Dann las ich andere Schriften, die der Muslime und der Hindus – was ich auch immer in die Hände bekommen konnte. Alle sagten das Gleiche: "Es gibt Gott. Wenn ihr Gott sehen wollt, sitzt zu Füßen von jemandem, der Gott gesehen hat – der Ihn nicht nur gesehen hat, sondern fähig ist, auch uns Gott sehen zu lassen." Ihr werdet finden, dass Christus sagte: "Der Sohn kennt den Vater, und auch jene, denen es der Sohn offenbart." Die Sohnschaft besteht immer. Die Literatur und die Heiligen Schriften des Islam sagen uns das Gleiche: "Ihr müsst Mittel und Wege finden, Gott zu erreichen." Auch die Hindu-Schriften sind voll von diesen Aussagen. In jeder Schrift könnt ihr sie finden.
Es gibt so viele Meister – wen soll ich auswählen?
Natürlich, als ich mich umsah, waren da so viele Meister. Zu welchem sollte ich gehen? Wir waren drei Brüder. Zwei von uns halfen sich gegenseitig: "Du sagst es mir, wenn du einen Gottmenschen findest, und ich sage es dir!" Wir waren auf der Suche, seht ihr? Es gab viele, die Versammlungen abhielten. Eines Tages schrieb mir mein Bruder: "Ein ganz großer Mann ist hier, ein ganz großer Meister ist gekommen. Wirst Du kommen?" Ich fuhr hin und sagte zu ihm: "Ich erlebe eine Berauschung, die Tag und Nacht andauert; doch manchmal, nach drei, vier oder fünf Monaten, hört sie für einen oder zwei Tage auf. Das verstehe ich nicht. Könnt ihr mir da helfen?" Und was sagte er? "Sie müssen alles – Körper, Gemüt und Seele – mir übergeben. Nur dann kann und werde ich ihnen (die Lösung) geben." Ich dachte: "Er ist auf meinen Körper und Besitz aus, und ich soll ihm meinen Verstand und alles andere blindlings übergeben." Ich erwies ihm meine Ehrerbietung und fuhr nach Hause zurück.
Nun, ihr seht – Hingabe entwickelt sich nur, wenn man eine gewisse Kompetenz sieht. Ergebenheit und Liebe – bei jemandem, der liebt, ist das etwas anderes. Wenn ihr euch völlig hingebt, ist der, dem ihr ergeben seid, in eurer Macht: Er muss für euch sorgen.
So zogen viele an mir vorüber. Ich ging auch oft zu einem, der sehr gottberauscht war. Doch er lebte auf eine Weise, dass niemand es wagte, ihm nahezukommen. Am Abend trafen wir uns immer mit all unseren Freunden im Freien und redeten miteinander: "Gibt es einen Gottmenschen, zu dem wir gehen können?" Ich sagte ihnen: "Ich bin einem Mann begegnet, der gottberauscht ist, aber er ist eine harte Nuss zu knacken." Ihr werdet einige finden, die gottberauscht sind, aber sie lassen euch nicht nahekommen. Ihr habt das Vorrecht, (mit mir) zu sprechen, zu fragen, Gegenfragen zu stellen und zu kritisieren; dieser Mann ließ das nicht zu. Nun, so erzählte ich meinen Freunden etwas über ihn. Auch unser Meister (Baba Sawan Singh) erwähnte ihn öfter, und Er traf sich auch mit ihm; sein Name war Baba Kahan. Er lebte fast unbekleidet an einem Platz wie in der Wildnis und hatte immer ein Feuer brennen; und wenn es heiß war, fachte er es noch mehr an. Ich sagte ihnen: "Er hat eine gewisse Berauschung erlangt." Wer auch immer zu ihm ging, den beschimpfte er. Wer dann nicht fortging, den schlug er. Doch er hatte etwas: Auch wenn er die Leute beschimpfte, blieben sie, selbst wenn er sie manchmal schlug. Doch das, wofür sie hingingen, bekamen sie.
Damals ging ich noch zur Schule und ich besuchte ihn öfters. Er saß halbnackt auf einer Plattform. Ich stand dort und sah zu, wie die Leute, die er beschimpfte, weggingen. Ich blieb, bis alle gegangen waren. Dann rief er mich: "Nun, Sardar, was willst du?" Ich ging zu ihm: "Ich kam nur, um dich zu sehen." "Nun gut, dann geh’ wieder!"
So war meine Beziehung zu ihm. Zu einem Mann sagte ich: "Er hat etwas, doch er ist eine sehr harte Nuss zu knacken, bedenke das." Niemand nimmt das auf sich. Aber es ist etwas äußerst Kostbares. Und wer ist bereit es euch zu geben?
"Nun gut, was soll ich tun?", fragte er. "Geh zu ihm und bleib über Nacht dort. Auch wenn er etwas sagt oder dich beschimpft, mach dir nichts daraus." Er ging zu ihm und blieb über Nacht dort. Nach dreiundzwanzig oder vierundzwanzig Uhr beschimpfte ihn Baba Kahan und schlug ihn mit Fäusten. Da rannte er davon. Am nächsten Tag trafen wir uns alle wieder, und ich fragte meinen Freund: "Wie fandest du ihn?" "Oh, er beschimpfte mich und schlug mich mit den Fäusten." "Nun mach dir nichts daraus", sagte ich. "Er hat etwas. Mach dir nichts daraus – geh zu ihm!" Am nächsten Abend ging er also wieder zu ihm. Anstatt ihn nur mit Fäusten zu schlagen, nahm Baba Kahan nun ein brennendes Stück Holz und schlug ihn damit. Da lief er fort. Am folgenden Tag schlug er ihn nicht mit dem Holz, sondern tauchte ihn in den Brunnen. Am dritten Tag fragte ich ihn, was geschehen sei. "Nun, ja", sagte ich, "aber mach dir nichts daraus – er hat etwas. Er hütet diesen Schatz. Er will es dir nicht so leicht geben." So ging er auch in der Nacht des dritten Tages zu ihm. Wie beschrieben, fügte Baba Kahan ihm mit einem brennenden Holz eine kleine Wunde zu; doch er lief nicht fort. Nachts um ein Uhr, fragte ihn Baba Kahan: "Was willst du denn? Warum kommst du zu mir?" Er antwortete: "Meister, gebt mir bitte etwas!" Und so ließ er ihn den Tonstrom hören. Manche Menschen haben diese Gabe, doch sie hüten es streng. Sie geben es nicht weiter.
So ging es immer weiter. Ich betete immer wieder: "O Gott, ich bin davon überzeugt, dass Dich niemand ohne einen, der Dich erkannt hat, erreichen kann." Das ist eine praktische Sache, eine Sache der Selbstanalyse. Man kann Gott nicht durch die nach außen wirkenden Sinne, die Lebensströme (Pranas) oder den Verstand erkennen. Es ist eine Sache des Sehens: Wer sieht, der kann euch sehend machen. "Ich weiß um die Notwendigkeit (eines Meisters) – da gibt es keinen Zweifel; alle Heiligen Schriften sagen es. Ich bin völlig überzeugt davon, doch wohin soll ich gehen? Und falls ich zu einem gehe, der Dir nicht begegnet ist, was wird dann aus mir?" So betete ich. "Wenn Du Dich den Heiligen in der Vergangenheit offenbaren konntest" – es gibt solche Berichte – "warum dann nicht auch mir? Ich bin überzeugt davon, dass ein Meister notwendig ist, und achte diese Notwendigkeit, doch es gibt so viele Meister – wen soll ich auswählen?" Da begann mir mein Meister (Baba Sawan Singh) zu erscheinen, wenn ich in Meditation saß oder etwas anderes tat. Ich dachte, er sei vielleicht Guru Nanak. Und er sprach zu mir. Es war zur Zeit des ersten Weltkrieges, und mein Bruder kämpfte an der Indischen Front bei Persien. Ich begleitete Ihn im Inneren zu diesen Orten, hier, dort und überall hin.
Der Meister erscheint, wenn der Schüler bereit ist
Ich liebte Flüsse, Teiche und überhaupt das Wasser sehr. Auch als ich noch jung war, ging ich gerne zu einem Gewässer oder an einen Fluss, setzte mich an einen ruhigen, stillen Ort und blieb dort die ganze Nacht. Fließendes Wasser hilft ein wenig bei der Konzentration. Das machte ich längere Zeit so. Währenddessen arbeitete ich zuerst in Peshawar; dann wurde ich nach Nowshera versetzt, das an einem Fluss liegt. Am Ufer dieses Flusses saß ich oft stundenlang. Dann kam ich in die Gegend von Jhelum. Das liegt auch in der Nähe eines Flusses, und dort saß ich viele Stunden ohne Unterbrechung. Ich schwamm auch sehr gerne. Geht einfach ins Wasser des Flusses hinein, wenn ihr keine Angst habt wird euch nichts geschehen – nur die Angst tötet euch. Wenn ihr einfach Füße oder Hände bewegt, geht ihr nicht unter.
Dann wurde ich nach Lahore versetzt – das liegt auch an einem Fluss. Dort verbrachte ich meine Tage. Es gab auch den Beas Fluss: "Den möchte ich sehen!" An einem Sonntagmorgen nahm ich den Zug und stieg an der Bahnstation bei Beas aus. Dort traf ich einen alten Mann, er war der Bahnhofsvorsteher. Ich fragte ihn auf welcher Seite der Fluss fließt. Er war ein Ergebener des Meisters (namens Bua Das): "Möchtest du den Meister sehen?" "Lebt hier ein Meister?" "Ja!" "Wo?" "Dort am Flussufer!" Ich sagte zu ihm: "Nun bekomme ich gleich zwei Dinge. Ich werde mich an der Flusslandschaft freuen und gleichzeitig den Meister sehen." Dann zeigte er mir den Weg dorthin. Der Meister saß gerade oben in Seinem Zimmer und nahm Seine Mahlzeit ein. Ich ging hinaus ins Freie und setzte mich nieder. Nach etwa einer halben Stunde kam Er heraus. Ich war zutiefst überrascht: Er war es, der mir in den vergangenen sieben Jahren, von 1917 bis 1924, im Inneren erschienen war. Ich erwies ihm meine Ehrerbietung: "Warum so spät?" Er sagte: "Das war die günstigste Zeit für dein Kommen."
So begegnete ich dem Meister. "Der Guru erscheint, wenn der Chela (Schüler) bereit ist" – selbst dem größten Zweifler. Vielleicht war keiner von euch so skeptisch wie ich. Versteht ihr, ich hatte Angst, an jemandem zu geraten, dem Gott nicht begegnet ist, und so wäre mein Leben vertan gewesen.
Wenn ich Ihn besuchte – ich ging einmal oder zweimal in der Woche zu Ihm, und auf jeden Fall am Sonntag – kümmerte Er sich um mich, wie ein Vater um seinen Sohn: "Macht ihm dieses Zimmer zurecht, richtet ihm sein Bett", Er ordnete dies und jenes an. Ich bat Ihn: " Meister, sorgt euch nicht um mich, ich bin hier zu euren Füßen." Als ich das aller erste Mal bei Ihm war, äußerte Er folgende Worte: "Gut, nun musst du dich um die Dera (den Ashram) kümmern, führe sie weiter. Sorge für die, die hierher kommen."
Als ich das nächste Mal dort war, war gerade Initiation. – Anfang Februar – und alle saßen bei der Initiation. Der Meister sagte zu mir: "Setzt dich drinnen hin." Ich kam, als Er dort gerade Initiation gab, und ich saß drinnen in Seinem Zimmer. So wurde ich initiiert! Ich wartete auf Ihn – vielleicht lässt Er mich rufen oder was sonst. Ich wagte es nicht mich zu bewegen, weil Er mich nicht rief, und saß dort drinnen. Dann kam Er zurück. Ich fragte Ihn: "Würdet Ihr mich bitte initiieren?" "Oh ja, gewiss!" Das Mysterium des Lebens, was der Mensch ist, was die Seele – war in einem Augenblick gelöst.
Die Kennzeichen eines Meisters
Die Qualifikation eines Meisters besteht darin, dass Er fähig sein muss, euch eine Erfahrung zu geben. Manche sagen: "Geht dorthin. Hier habt ihr Karten, die euch den Weg zeigen. Nehmt diese Straße." Oder: "Wendet euch nach rechts, dann links", und dergleichen. Manchmal müsst ihr stundenlang suchen, und doch findet ihr den Weg nicht. Aber ein Meister ist, wer euch eine Erfahrung gibt, mit der ihr beginnen könnt, der euch im Inneren erscheinen und den dunklen Schleier beseitigen kann, wenn Er euch eine Meditationssitzung gibt – und dann könnt ihr die Wahrheit Seiner Worte bezeugen. Ihr braucht nicht viele Jahre oder bis nach dem Tod zu warten. Er sagt nicht: "Macht nur immer weiter, mit der Zeit werdet ihr eine Erfahrung erlangen." Wie ihr seht, sagen das die meisten Lehrer: "Meditiert nur regelmäßig. Die Rückwirkungen der Vergangenheit mögen euch helfen." Doch die Kompetenz des Meisters besteht darin, dass Er fähig und kompetent ist, dem Gebildeten und dem Ungebildeten in gleicher Weise – jedem Mann von der Straße – eine Erfahrung zu geben.
Als unser Meister ein Meister wurde – ich meine, als Er die Aufgabe des Meisters übernahm (Er war ein Meister, aber Er übernahm die Aufgabe des Meisters) – gab es eine Auseinandersetzung (um die Nachfolge). Doch wenn ihn andere fragten: "Warum und wieso konntest du Meister werden?", blieb Er immer höflich und demütig. Er wollte sich nie auf Streitigkeiten einlassen. Wenn sie immer weiter auf diesem Punkt herumritten, sagte Er: "Gut, holt euch fünf oder sechs Leute von der Straße, lasst sie zur Meditation sitzen und gebt ihnen eine Erfahrung. Ich werde mir auch ein paar holen, und dann werden wir sehen, wer sie geben kann." Das ist alles: das höchste Ziel aufzuzeigen – und etwas zu geben, damit man (dieses Ziel) erreicht. So bin ich also meinem Meister begegnet.
Im allgemeinen wenn mich die Leute fragen: "Wann haben Sie Geburtstag?", sage ich ihnen: "Ich habe drei Geburtstage: der erste war, als ich in den Körper geboren wurde; der zweite als ich meinen Meister im Inneren sah, sieben Jahre bevor ich Ihn traf; und der dritte, als ich Ihm physisch begegnete."
Das sind Gottes Gaben. Ich hatte große Angst, (zu irgendeinem Meister) zu gehen, da sie einem im Allgemeinen einfach sagen: "Lest weiter die Heiligen Schriften." Das ist in Ordnung: das ist der erste Schritt. Aber ihr könnt die richtige Bedeutung (von dem was in den) Schriften steht, nicht erkennen, wenn ihr nicht jemandem begegnet, der diese Erfahrung selbst hat: er allein ist fähig, euch eine Erfahrung zu geben und euch das richtige Verstehen und die richtige Bedeutung (von dem was in) den Schriften steht, zu vermitteln. Denn was sind die Heiligen Schriften? Es sind wunderbare Aufzeichnungen der Erfahrungen, die, die Meister in ihrem Leben machten. Dann kommt die Durchführung des einen oder anderen Rituals: Das ist in Ordnung um dem Boden vorzubereiten, doch Sehen ist etwas anderes. Das beginnt nur, wenn man sich selbst analysiert, wenn man sich über das Körperbewusstsein erhebt und bezeugt, dass dort Licht ist. Ein Meister wird auch definiert als derjenige, der die Musik der Sphären hörbar machen kann. Wer kann euch das Licht und die Musik der Sphären geben? Was ist dieses Licht und dieser Ton? Sie sind die zwei Aspekte der sich zum Ausdruck bringenden Gotteskraft. Gott hat keinen, der Ihm gleich ist, keinen Vater, keine Mutter – nichts dergleichen. Nur wer das personifizierte Wort ist, kann euch am aller ersten Tag eine Erfahrung jener Kraft geben. Selbst ein Blinder besitzt das innere Auge, das man Einzelauge nennt. Die Heiligen Schriften sagen uns: "Wenn dein Auge einfältig ist, wird dein ganzer Leib Licht sein …" – "Wenn ihr die Türen des Körpertempels schließt, dann seht ihr des Himmels Licht." Dieses Auge wird das Einzelauge oder das Verborgene Auge oder Shiv Netra genannt; es gibt so viele Namen dafür. Das sind die grundlegenden Lehren, die uns in Verbindung mit der Wirklichkeit bringen. In der Philosophie geht es um Theorien. Aber hier geht es um das, was man Mystik nennt: Sie gibt euch eine Verbindung zur Wirklichkeit – der Wirklichkeit, die sich zum Ausdruck brachte.
Psychologie wirkt auf der Verstandesebene. Doch die Mystik wirkt nicht auf der Ebene des Verstandes, hier erreicht man nur dann etwas, wenn der Verstand zum Schweigen kommt. In der Psychologie und in der Philosophie habt ihr zweierlei: den Betrachter und den Gegenstand der Betrachtung. Doch in der Mystik gibt es keine Dualität: Ihr habt eine direkte Verbindung mit der Gotteskraft in ihrer offenbarten Form. Je mehr ihr vom Äußeren losgelöst seid, je mehr ihr auf ein ethisches Leben achtet, umso mehr kommt ihr mit dieser Kraft in Verbindung. Und sie wird euch wie ein elektrischer Aufzug dorthin bringen, von wo sie ihren Ursprung nahm.
Diese Kraft, die sich in einem menschlichen Pol offenbart, wird Gotteskraft, Meisterkraft oder Gurukraft genannt. Sie wird auch als Christuskraft bezeichnet: Christus lebte vor Jesus, bedenkt das, und wird immer leben! Das sagt der Heilige Johannes. Doch wir grübeln nur über die Heiligen Schriften nach, und verstehen nicht, worum es tatsächlich geht. Beginnt einer einmal mit etwas Falschem, folgen andere ihm blindlings. Wie viele gibt es, die euch eine Ersthanderfahrung geben können? Sie sagen vielleicht: "Gut, meditiert weiter!", und einige mögen Erfahrungen erhalten, andere aber nicht. Darin liegt Seine Kompetenz (dass Er eine Ersthanderfahrung gibt): durch Gott in Ihm und nicht als Menschensohn.
Jemand fragte unseren Meister: "Wie sollen wir euch anreden?" Er antwortete: "Betrachtet mich als euren Bruder, euren Vater, euren Freund, euren Lehrer. Doch lebt nach dem, was ich euch sage. Wenn ihr euch über den Körper erhebt und Ihm auch im Inneren begegnet und Er auch dort kompetent ist, euch zu führen, dann könnt ihr mich nennen wie ihr wollt."
So sagen alle Meister: "Sucht Zuflucht zu den Füßen einer solchen Persönlichkeit, in deren menschlicher Gestalt die Gotteskraft wirkt, die euch führen kann, solange ihr im Körper seid, aber auch wenn ihr den physischen, astralen und kausalen Körper überschreitet. Sucht Zuflucht zu den Füßen eines solchen Meisters!"
Wie viele dieser Art gibt es? In der Vergangenheit waren es nur wenige, und auch jetzt sind es wenige. Ich wünschte, es wären Hunderte und Tausende, dann gäbe es keinen Konflikt.
Seht es als die Gnade des Meisters. Die Meister geben euch die Essenz all dieses Wissens, das man Para Vidya nennt. So fand ich dort nur einen einzigen (der sich über das Körperbewusstsein erheben und in die erste Ebene gehen konnte)! Die Welt ist nicht ohne solche Menschen, doch in der Vergangenheit waren es immer wenige und auch jetzt sind es nicht viele. Ihr werdet feststellen, dass die meisten euch nur anweisen: "Lest dieses Mantra, dieses Shabda, diese Heilige Schrift täglich!" Sie führen einfach eine Zeremonie auf diese Art oder ein Gebet auf jene Art aus, indem sie Kerzen anzünden und Glocken läuten – was auch immer der Brauch ist. Jeder hat seine eigenen Zeremonien und Rituale. Es stimmt, zu beten ist etwas Gutes: Ein Gebet, das aus dem Herzen hervorbricht, wird von Gott gehört, und Er trifft Vorkehrungen, euch zu Ihm zu bringen. Andere wieder geben euch Anweisungen, wie man seinen Körper gesund erhalten kann. Das ist gut, aber es ist nicht Spiritualität, es ist ein hilfreicher Faktor bei der Spiritualität. Manche lehren euch, wie ihr euer Leben verlängern könnt – nun gut. Manche zeigen euch, wie man andere Menschen mesmerisiert, wie man sie hypnotisiert, wie man die Gedanken anderer lesen kann. All das hat mit Spiritualität nichts zu tun. Wie viele gibt es, die euch wirklich eine Erfahrung geben, wie man sich über das Körperbewusstsein erhebt? Das ist also der Stand der Dinge. Ich würde mich freuen, gäbe es Hunderte und Tausende von denen, die (die Wirklichkeit) sehen. Wenn sie (im Innern) sehen, warum setzen sie sich nicht zusammen? Wenn alle Menschen Ihn erkannt haben, gibt es keine Frage von Eifersucht, keine Frage von Konkurrenz. Sie werden zu Brüdern, sie umarmen sich. Allein die Tatsache, dass sie einander nicht begegnen wollen, zeigt, dass sie Ihn nicht erkannt haben. Jeder bläst in sein eigenes Horn: "Ich bin der Höchste!" Und was machen sie? Sie sagen uns einfach: "Visualisiert dieses Gesicht!" Momentan bekommt ihr natürlich etwas, denn dabei entsteht eine gewisse Konzentration. Doch was wird aus euch? "Wie ihr denkt, so werdet ihr!" Ist das nicht gefährlich? Es ist äußerst gefährlich! Das ist der Grund, weshalb ich niemals zu Visualisation rate. Wenn ihr euch einen wahren Menschen vorstellt, ist das in Ordnung. Ansonsten werdet ihr euer Ziel völlig verfehlen. All das spielt sich in der Welt ab.
Die wichtigste Qualifikation, würde ich sagen, die einen Meister auszeichnet, wenn er einem anderen Meister begegnet, ist, dass er ihn umarmt. Er wird sich freuen. Für ihn gibt es keine Frage von hoch oder niedrig.
Einmal habe ich erlebt, als mein Meister Baba Sawan Singh einem Schüler von Rai Saligram, Shivbrat Lal, begegnete. Er war eine sehr fortgeschrittene Seele. Als sie sich das erste Mal begegneten, war ich dabei. Er verbeugte sich vor meinem Meister, und mein Meister verbeugte sich vor ihm. Sie umarmten sich. Warum sollten sich die, die auf dem Weg sind nicht umarmen? Warum sollten sie sich nicht freuen? Allein die Tatsache, dass einer dem anderen nicht begegnen will, zeigt, dass jeder seine eigene Sache macht – Gott haben sie nicht gesehen, sage ich euch.
Manchmal bin ich sehr geradeheraus, bei aller Achtung für jeden. Wenn sie dasselbe gesehen haben, wo bleibt dann hoch und niedrig? Ich sehe Gott in euch, ihr seht Gott in mir, so ist es richtig!
Bitte geht also zu jemandem, der euch etwas geben kann. Was könnte es sonst für einen Beweis geben? Und bedenkt, ihr müsst eine Erfahrung im bewussten Zustand erhalten, nicht durch Mesmerismus oder Hypnose! Manche sagen, (bei der Initiation) sei es auch Hypnose – doch dann würden alle dieselbe Erfahrung haben. Jeder Mensch hat seinen eigenen inneren Bewusstseinszustand. Sie sehen, sie erheben sich über den Körper, sie sehen Licht, und jeder hat seine eigene Erfahrung. Das ist die Wahrheit – ohne zu übertreiben. Das sind die Tatsachen, wie sie wie sie alle Meister betonen.
Ich werde euch noch etwas aus meinem Leben erzählen. Ich las sehr gerne Biografien, schon als Schüler. Ich glaube, ich habe mehr als dreihundert Lebensbeschreibungen von Heiligen aus dem Osten und Westen gelesen. Das erste Buch, das mir in die Hände fiel, als ich im siebten Schuljahr war, war die Lebensbeschreibung eines Heiligen mit dem Namen Ramanuj. Was las ich dort? Darin wurde beschrieben, dass Ramanuj zu einem Meister ging, der ihn initiierte. Danach stellte sich Ramanuj auf einen Hügel und rief alle die in der Nähe waren zusammen. Sie fragten ihn: "Was hast du vor?" "Ich habe etwas erhalten und das werde ich euch geben!" "Du übertrittst die Anweisungen deines Meisters!" Ohne die Erlaubnis seines Meisters hätte er das nicht tun sollen. "Das braucht euch nicht zu kümmern! Ich werde in die Hölle kommen – aber ihr werdet gerettet sein! Um euretwillen werde ich die Hölle ertragen, aber immerhin werdet ihr gerettet werden. Mir macht das nichts aus!" Damals dachte ich mir: Wenn ich das einmal erlange, werde ich es freizügig verteilen. Doch zum Glück verteile ich es auf Anweisung meines Meisters, nicht ohne Erlaubnis! Und es ist Seine Gnade, die wirkt, sage ich euch. Nicht einmal für einen Augenblick träume ich davon, dass ich etwas tue: Er ist es, der alles bewirkt. Manche Menschen fragen mich: "Du hast uns initiiert. Warum erscheint dann dein Meister mit dir zusammen oder auch ganz allein?" Was soll ich ihnen antworten? Sagt mir! Ich sage ihnen: "Es mag sein, dass Er in mir ist." Das ist alles, was ich ihnen wirklich sagen kann. Selbst denen die Seine physische Form niemals gesehen haben, erscheint er in dieser Form ohne dass sie visualisieren. Sie haben Ihn nie gesehen, sie erkennen Ihn wenn man ihnen Sein Foto zeigt.
So liegen die Dinge richtig. Dies ist ein Gespräch auf der Ebene des gesunden Menschenverstandes: Es geht nicht um Schlussfolgerungen, es ist kein intellektuelles Ringen. Ich wünsche mir, alle würden zusammenkommen und sich umarmen und über das sprechen, was sie möchten. Warum gehen so viele Gruppen verschiedene Wege? Der eine führt uns hierhin, der andere dahin. Lasst alle sich zusammensetzen und verstehen und lehrt das Höchste. Warum sollen sie ihr ganzes Leben damit verschwenden, nur die aller ersten Schritte auszuführen? Natürlich hat alles seinen eigenen Wert, und ihr mögt den besten Nutzen daraus ziehen. Doch dies ist das Höchste.
Das Leben ist kurz, und (ich habe gerade erzählt), wie ich es erhalten habe und wie mir mein Meister auftrug, es euch zu gewähren, sodass ihr damit weitermachen könnt. Schafft eine gemeinsame Plattform für alle! Doch alle "Meister" sagen das nicht, sie sagen: "Führt diese Linie weiter!" Doch bedenkt, die Wahrheit ist nicht das Vorrecht einer Religion, eines Landes oder einer Familie, jeder Mensch hat Anrecht auf sie. Ihr könnt sie dort erhalten, wo sich diese Kraft offenbart. Doch was tun die Menschen? Wenn ein Meister da ist, dann versuchen seine Angehörigen, die Meisterschaft in der Familie zu halten. Entschuldigt, bei allem Respekt allen gegenüber – sie wollen die Meisterschaft in dem Haus und in dieser Familie halten, denn es wird zu einer Einnahmequelle, sage ich euch. Versteht ihr?
Das ist also das Ergebnis. Der Sohn mag sein wie der Vater, oder auch nicht, nicht notwendigerweise. Wenn es so ist, gut und schön; das ist das Kriterium: Geht dorthin, wo ihr etwas bekommt! Motten fliegen dahin, wo Licht brennt. Das ist also die Ursache für all das was sich in vielen Religionen abspielt. Sie werden einfach zu Gruppierungen. Das führt zum Stillstand, und Stillstand führt zu Verfall.
Es gibt nur eine Wahrheit: Sokrates wurde gefragt, ob er Plato liebe. Er antwortete: "Ich liebe Plato. Doch die Wahrheit liebe ich mehr als Plato." Versteht ihr? Wir sind auf der Suche nach der Wahrheit. Und so ist die Wahrheit – woimmer die Wahrheit ist, woimmer ihr sie findet, dort geht hin. Was sagte unser Meister? "Was euch gegeben wurde, ist die Wahrheit. Wenn ihr irgendwo mehr als das findet, kommt und sagt es mir: Ich werde auch dorthin gehen!" Wir verehren die Wahrheit, nicht (irgendwelche) Persönlichkeiten, dieses oder jenes. Wenn ihr die Wahrheit hier findet oder auf der Straße, am Fluss oder an irgendeinem Ort, wo viele Menschen sind, dann geht dorthin! Ihr mögt sie selbst bei einem Schuster finden. Die Geschichte zeigt, dass es einen Heiligen gab, Ravidas, der Schuster war. Er flickte Schuhe. Und Mirabai, eine Prinzessin, kam zu seinen Füßen. Was machte er? Er hatte eine kleine Hütte und natürlich verdiente er sein Geld selbst, und davon lebte er. Sie überließ ihm einen Rubin und sagte: "Hier ist ein Rubin, bau dir ein schönes Haus davon!" "Ich will ihn nicht", sagte er. Aber sie bestand darauf. "Gut, leg ihn, wohin du willst!" Sie legte den Rubin an einen bestimmten Platz. Nach sechs Monaten kam sie wieder. Immer noch flickte Ravidas Schuhe. Sie sagte: "Ich habe dir doch einen Rubin dagelassen!" "Ach, der wird noch dort sein, wo du ihn hingelegt hast!"
Es gibt nur eine Wahrheit. Das Kennzeichen eines Heiligen ist, dass er nicht etwas zur Schau stellt. Er lebt nicht von den Spenden anderer. Er verdient seinen eigenen Lebensunterhalt. Er steht auf eigenen Beinen, und hilft anderen. Er verlangt kein Geld für Seine Lehren. So steht es in den Sikh-Schriften. Ansonsten wird es zum Geschäft.
Das ist die Essenz von dem, was ich in den Schriften fand, bei aller Achtung für alle. Ich habe Respekt für alle, selbst für die, die so sind (die diese Kriterien nicht erfüllen), denn allein durch die Liebe kann man jemanden ändern, nicht durch Hass oder Kritik. Wenn ihr beisammen sitzt und Liebe für einander habt, werdet ihr euch natürlich verstehen. Wenn ihr anderen etwas aufdrängen wollt: "Du hast recht! Du hast unrecht!", wird euch niemand zuhören. Wahrheit bleibt Wahrheit.
So kam ich also zu meinem Meister.
Sant Kirpal Singh